Barbara Töpper-Fennel                                                                                                                  PALAVER

 

 

Palaver   -   parlo ergo sum

 

Die Sü­dländer, insbesondere die Italiener, machen gern viele Worte. Schamlos tragen sie ihr Herz auf Zunge und Lippen. Sie sind hemmungslose Selbstdarsteller.

Für eine Norddeutsche wie mich, die sich in Zurückhaltung und Diskretion üben gelernt hat, ist das ziemlich fremd. Und vertraut zu-gleich. Denn mit größter Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit werden hier im Nu zwischenmenschliche Gemeinsamkeiten hergestellt, die anderswo zeitaufwändige Kommunikationsanstrengungen erfordern. Kontakt liegt hier förmlich auf der Straße und in der Luft.

Reden ist Leben, wie Atmen. Man tut es ohne Überlegung, einfach so, weil man lebt. Man lebt, um zu reden und redet, um zu leben. So einfach ist das.

Dabei geht es nur in seltenen Fällen um tiefschürfende Erkenntnisse. In der Regel ist es ein Geplätscher über die Banalitäten des Alltags, über die man bei uns im Norden kein Wort verlieren würde. Im Süden ist das anders, hier ist alles wert, in Worte gekleidet zu werden. Hier würde niemand sagen: „spar dir die Spucke“. Hier hat man Worte und Spucke im Überfluss. Vielleicht weiß man hier besser als bei uns, dass es gerade die alltägliche Banalität ist, die das Leben ausmacht?

Das Wort "Palaver" hat bei uns eine eher abfällige Bedeutung im Sinne von "Viel Lärm um nichts": Es wird geredet, um des Redens willen, und nicht oder zumindest nicht in erster Linie zum Zwecke einer Informationsübermittlung. Dies wird häufig noch unterstrichen durch eine ausgeprägte Mimik und Gestik, die leicht die Grenze zum Theatralischen zu überschreiten scheint.

Aber was, wenn wir wortkargen Nordlichter die Bedeutung eines südländischen Palavers völlig falsch verstehen? Wenn das scheinbar inhaltslose Gerede in Wahrheit einen ganz anderen Inhalt hat, als die geäußerten Worte auf den ersten Blick nahelegen? Wenn es eine viel tiefer reichende Geschichte über den Menschen, der da "palavert" erzählt; wenn hier tatsächlich ein kleines Drama inszeniert wird, in dem sich der Mensch in seiner Ganzheit darstellt? Wenn das Palaver somit eine ganz existenzielle Funktion hat, die darin besteht, Gedanken und Gefühle, die wir im Norden eher für uns behalten, zu äußern, um sie an der Resonanz eines anderen überprüfen zu können und ihnen damit überhaupt erst Realität zu verleihen? Wenn das Reden somit eine Form der Selbstvergewisserung wäre und damit auch eine Strategie gegen die existenzielle Grundangst des Menschen vor Einsamkeit und Ausgeliefertsein?

 

Barbara Töpper-Fennel

 


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